Einbindung von Meditatonstechniken
Einer der Hintergründe, der mich zur Kompositionsidee der Fünf Elemente geführt hat, war die Frage, inwiefern es möglich ist, Meditationstechniken in den Prozess des Komponierens einzubinden, und ob das Einbinden solcher Techniken unter Umständen nicht nur den Prozess, sondern auch das künstlerische Resultat beeinflusst.
Mit „Meditationstechniken“ sind hier ganz konkret Übungen gemeint, die ich durch die private Beschäftigung mit dem tibetischen Bön-Buddhismus kennengelernt habe. Vielen Bemerkungen von verschiedenen Vertretern des Bön entnehme ich, dass ein beträchtlicher Teil der Meditationstechniken nicht nur im Bön, sondern auch in den anderen tibetischen Buddhismusschulen gängig sind. Da ich aber nicht beurteilen kann, bei welchen Techniken dies der Fall ist oder welche Aspekte eben doch ein wenig anders sind, verwende ich weiterhin auschließlich den Terminus „Bön“.
Das „Einbinden von Meditationstechniken“ kann sich desweiteren nur darauf beziehen wie ich persönlich die Übungen verstanden habe und anwende. Ich bin nicht in der Lage zu beurteilen, ob dies die übliche oder überhaupt die richtige Art und Weise ist, Bön-Meditatonsformen in das eigene künstlerische Handeln einzubinden. Ich werde die verwendeten Techniken in dieser Darstellung deswegen nicht oder nur ansatzweise beschreiben. Wer tiefergehendes Interesse an Bön-Meditationspraktiken hat, dem steht eine riesige Menge an Youtube-Videos und Literatur zur Verfügung, in denen entsprechend authorisierte und qualifizierte Menschen die Grundlagen des Bön-Buddhismus und der damit zusammenhängenden Meditatontechniken beschreiben und zum Teil auch anleiten.
Die Fünf Elemente
Innerhalb der Tradition des Bön gibt es die Vorstellung, dass die Gesamtheit all dessen, was existiert, aus 5 Elementen zusammengesetzt ist: Feuer, Wasser, Luft, Erde und Raum. All das was ist, sind nicht nur äußere Phänomene bzw. Sinneswahrnehmungen sondern auch innere: Gedanken, Emotionen, bildliche Vorstellungen, Erinnerungstätigkeit, Träume etc… All dies kann jedoch nur dann existieren, wenn es irgendwo „ist“. Dies, worin alles ist, ist Raum.
Mit dieser Beschreibung von Raum als dem, was alles beherbergt und in dem alles stattfindet, lässt sich die Vorstellung der Fünf Elemente auch als Setting für eine elektroakustische Komposition lesen: Da ist einmal der akustische Raum und der bewusste Umgang mit Raumbewegungen, innerhalb dessen alle Klänge angesiedelt sind.
Unter den Meditationstechniken des Bön gibt es nun solche, die sich damit beschäftigen, die Qualitäten der Fünf Elemente im Meditierenden zu erzeugen und zu verstärken, um sie dann in Form einer inneren oder äußeren Handlung zur Manifestation zu bringen. Was zunächst etwas abstrus klingen mag, wird anhand eines Beispiels anschaulicher:
Jeder kennt den Zustand der Elanlosigkeit, der Antriebslosigkeit, der einen von zeit zu Zeit überfallen kann. In der Vorstellung des Bön hat Elanlosigkeit etwas mit einem Mangel an derjenigen Qualität zu tun, aus der auch das physische Feuer entsteht. Deswegen nennt man diese Qualität kurz „Feuer“. Es ist nun möglich, diese Qualität im eigenen Bewusstsein wieder zu erzeugen und dann mit dem zu „ersetzen“, was vorher Elanlosigkeit war. Ist man geübt und läuft es gut, dann verschwindet die Elanlosigkeit und es entsteht anstelle dessen so etwas wie Tatendrang. Aus diesem wiederum ergeben sich logischerweise andere Gedanken, Emotionen und Handlungen als aus dem Zustand er Antriebslosigkeit. Genau das ist gemeint mit „zur Manifestation bringen“.
Wir haben es hier also mit einer Meditationsform zu tun, die nicht nur aus Rückzug besteht, sondern ein höchst kreatives Potenzial in sich birgt, das ich gerne versuchen würde, für den Prozess des Komponierens nutzbar zu machen.
Eine der Hauptfragen, die diesem Projekt also zu Grunde liegen, ist die, ob es mir möglich ist, durch die Anwendung der entsprechenden Techniken, die Qualitäten von Feuer, Wasser, Luft und Erde in die Klangerzeugung einer elektroakustischen Komposition mit entsprechendem Titel und Thema einfließen zu lassen?
Somit ist die Kompositon “Die Fünf Elemente“ eine Studie im Sinne künstlerischer Forschung. Im Gegensatz zu vielen anderen künstlerischen Forschungsprojekten wird hier jedoch nicht so sehr ein äußeres Klangerzeugungsverfahren auf seine Anwendbarkeit hin untersucht, sondern ein inneres.
Welchen künstlerischen Wert diese Studie am Ende haben wird und ob man sie schließlich auch als Komposition wird ernst nehmen können, wird sich, wie es Forschungsprojekte nun einmal so an sich haben, herausstellen.
Technische und kompositions-organisatorische Konsequenzen
Aus dem oben Beschriebenen ergeben sich hinsichtlich der Wahl der technischen Mittel für die Klangerzeugung und hinsichtlich der Entwicklung einer Kompositionsidee bereits erste Konsequenzen:
1. Interfaces und audibles Feedback
In meditativem Bewusstsein meinem Computer dabei zuzukucken, wie er per Csound über ein bereits definiertes Orc ein Soundfile erzeugt, erscheint mir, bei aller Offenheit für das Unglaubliche, doch eher nicht sinnvoll.
Die Idee ist stattdessen, die Klangerzeugung unmittelbar manipulieren zu können, so wie es auch als Instrumentalist möglich ist. Der Instrumentalist gleicht beim Spielen seine Klangerzeugung über das Gehör mit einem inneren „Vorbild“ ab, das sich aus der Interpretation eines Stückes, aus dem Kontext einer Improvisation oder aus seinem inneren emotionalen oder gedanklichen Zustand ergibt. Das „Vorbild“, mit dem ich die Klänge abgleiche, die ich im Begriffe bin zu erzeugen, soll die Qualität sein, die sich aus der Erzeugung des entsprechenden meditativen Zustands ergibt.
Um dies rein technisch überhaupt tun zu können, brauche ich Instrumente mit realtime Interfaces. Dies spricht für eine Herstellung der Klänge mit MaxMSP.
2. Organisation: Klarheit über die eigenen Absichten
Da ich als Laie ziemlich ungeübt in der Aufrechterhaltung meditativer Zustände bin, beansprucht die Herstellung der Komposition „Die Fünf Elemente“ vor allem Anderen in erster Linie eins: Zeit. Ich kann einfach nicht drei Stunden am Stück den Zustand „Erde“ aufrechterhalten und aus ihm heraus Handlungen ausführen, – d.h. Klänge erzeugen. Mir geht da die Konzetration aus.
Das bedeutet, dass die Klangerzeugung sehr gut vorbereitet sein muss, um so fokussiert und zügig wie möglich ablaufen zu können. Vorentscheidungen müssen möglichst klar getroffen und möglichst konsequent durchgehalten werden.
Wenn mir nach einer halben Stunde Klangerzeugung mit einem bestimmten Instrument einfällt, dass es doch gut wäre, wenn das Instrument doch diese oder jene technisch vielleicht recht einfache Änderung bekommen würde, so kann dies trotz einfach technischer Umsetzung dazu führen, dass der Prozess der Klangerzeugung trotzdem erst am nächsten Tag weitergehen kann. – Einfach weil der Konzetrationspegel bereits gesunken ist, oder weil die Umsetzung der Änderung mich so stark auf eine andere Aufmerksamkeitsebene zieht, dass ich in die meditative an diesem Tag nicht mehr so schnell hinein finde.
Das notwendige Experimentieren mit selbstgebauten Instrumenten bekommt dadurch einen sehr klar definierten Ort im Prozess. Das Ende der Phase wird deutlich markiert und erst dann geht die eigentliche Klangerzeugung los. In früheren Arbeitsweisen gingen die Phase des Experimentieresn und das der Klangerzegung oft ineinander über.
Die Einbeziehung meditativer Techniken bringt es in meinem Falle also mit sich, dass ich mir auf technischer und kompositiontechnischer Ebene sehr viel zügiger sehr viel mehr Klarheit über meine kompositorischen Absichten verschaffe als ich es u.U. sonst tun würde.
Ausgangsmaterial
Das Ausgangsmaterial für die Komposition besteht aus Samples, die ich während meines Aufenthalts am Künstlerhof in Schreyahn hergestellt habe.
Die Herstellung der Aufnahmen unterlag denselben Prinzipien wie ich es oben über die Klangerzeugung mit elektronischen Instrumenten beschrieben habe. Sie erfolgte aus bestimmten meditativen Haltungen heraus und war dementsprechend zeitaufwendig, weil aus konzentrationsgründen relativ viele Pausen nötig waren.
Ein Dank gilt dabei insbesondere dem Pastor …… der Bethlehemkirche in Kiel Friedrichsort, die mir zur Herstellung der Komposition einzelne Pfeifen der gerade abgebauten … Orgel zu Verfügung stellte. Besondere Freude beschert natürlich die 16fuß Zunge (dis), die im Begriffe ist, eine Referenzfrequenz für den Teil „Erde“ zu werden.